Review (Freie Presse): Musikalischer Dialog auf Augenhöhe

Mit Alessandro Taverna war im 7. Sinfoniekonzert der Vogtland Philharmonie ein Ausnahmepianist zu erleben. Das bot Spannung für Musiker und Zuhörer.

Reichenbach. Gediegene, kaum noch Überraschungen bietende Erbepflege ist nicht die Sache der Vogtland Philharmonie. Beim 7. Sinfoniekonzert des Klangkörpers am Mittwoch im Reichenbacher Neuberinhaus war das auf besonders bewegende Weise zu erleben.
Ausgerechnet Peter Tschaikowskis arg strapaziertes Klavierkonzert b-Moll erwies sich als unerschöpfliche Quelle von Spannung, Frische, von Unerhörtem, noch nie Dagewesenem. Das Publikum war vorbehaltlos auf dessen Seite. Das lag sicher nicht allein an der exzellenten Spieltechnik des Solisten Alessandro Taverna, der den schwierigen Part bewundernswert akkurat und musikalisch schlüssig meisterte.


Der 1983 geborene Italiener stand auch für eine eigenartige, auf den ersten Blick vielleicht sogar etwas befremdende Lesart der Stücks. Taverna erweckte den Eindruck, das begleitende Orchester nicht unbedingt zu brauchen, und erst recht brauchte er es nicht zu fürchten. Der Pianist ging über weite Strecken unbeirrt seinen Weg und hielt, war den Philharmonikern partout nicht auszuweichen, auf unglaubliche Art gegen. Legten die Mitstreiter im schönsten Fortissimo los, wusste sich der Steinway – eigentlich kaum zu fassen – souverän zu behaupten. Schlug man ein rasantes Tempo an, setzte Taverna noch eins drauf. Da fingen seine Finger erst richtig zu tanzen an.
Die unter ihrem Chefdirigenten David Marlow musizierende Philharmonie hatte ihre Freude an der Konstellation, spielte unbeschwert auf, ließ einen herrlich glutvollen, in Teilen schon ans Rasende, Verrückte grenzenden Tschaikowski hören. Das b-Moll-Konzert einmal nicht als lupenreines Miteinander, sondern als grundehrlicher, öfter auch alles auf eine Karte setzender Dialog – vielleicht kann das sogar der Schlüssel sein zu einem tieferen Verständnis des Werks.
Naturgemäß vermochten die vor der Pause erklingenden Kompositionen nicht die gleiche Strahlkraft zu entfalten. Die Miniatur “Über das Hören des ersten Kuckucks im Frühjahr” des hierzulande weitgehend unbekannten Briten Frederick Delius (1862-1934) besang eine äußerst ruhige Phase der Jahreszeit und gab den Ausführenden – vornan den Holzbläsern – vor allem Gelegenheit, ihre Pianissimo-Kultur unter Beweis zu stellen.
Ludwig van Beethovens sechste Sinfonie, die Pastorale, war dagegen dem Spektrum des Landlebens – einschließlich Blitz und Sturm – auf der Spur. Bei aller Schönheit und Wärme, die da etwa in der “Szene am Bach”, auch in anderen Passage zu Tage traten; dem Orchester war anzumerken, dass es sich mit dieser ausgesprochen transparent instrumentierten, stets auf ein Höchstmaß an Ton und Gleichmaß rechnenden Musik doch ein wenig schwerer tat als mit dem emotionsgeladenen, dabei auch seine Tücken habenden Tschaikowski.

Volker Müller
erschienen am 24.03.2017

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